Adam Juli 2000
Cowboy-Zauber
Mit seinen 50 Lucky Afternoon Dancers gehört die Line-Dance Group von Richard Lootens zu den aktivsten schwulen Gruppen Münchens. ADAM hat die Western- und Folklore-Kerle bei ihren Proben besucht. Sie stehen in Reih und Glied. Es setzt eine schwungvoIle Country-Musik ein, und die Cowboys wirbeln mit 24 Beats übers Parkett. Point Step, Hook, Vine und Fan: Eine Vielzahl von Grundfiguren des Line Dance werden im Laufe des Abends geübt. "Das hier ist die Anfängergruppe", erzählt Richard Lootens, Gründer und Leader der Lucky Afternoon Dancers (LAD's). "Drei Frischlinge sind heute zum ersten Mal dabei", gibt sich der gebürtige Belgier stolz. "Zuschauen gilt bei uns nicht, jeder soIl mitmachen. Keiner braucht Angst zu haben, egal von woher er kommt, was er beruflich macht. Es gibt bei uns keine Berührungsängste. Man kann dick oder dünn sein, alt oder jung. Alle sind willkommen." Während die Line Dancer öffentlich nur als rein schwule Gruppe auftreten, sind bei den Proben auch einige Lesben und Heterofrauen dabei. Die Stimmung ist fantastisch, das Gruppengefühl nimmt auch schüchternen Anfängern alte Hemmungen. Der 54jährige Richard: "Für viele sind die Line Dancer zum Familienersatz geworden. Sie kommen gern." Ingenieur, Bankkaufmann, Gärtner, Koch, Arbeiter: alle sozialen Schichten und Berufe sind vertreten. "Wir sind auch eine internationale Gruppe. Niederländer, Franzosen, Ungarn, Amerikaner, Engländer gehören dazu." Viele Freundschaften sind unter den Tänzern geschlossen worden, auch Pärchen haben sich gefunden. Fünf, sechs Pärchen tanzen derzeit mit. Sie sind meist unter den 20 Fortgeschrittenen zu finden. Die Anfängergruppe umfasst rund 30 Cowboys. Deren Proben finden hier im "Café Regenbogen" statt, dem Café der Münchner Aids-Hilfe. Richard Lootens hat seit der Gründung seiner LAD's 26.500 Mark durch Tanz und Engagement für die Aids-Hilfe zusammengetragen. Auch an diesem Freitagabend überreichte er wieder einen Scheck über 2.200 Mark. Im April hatten die LAD's zu ihrem vierjährigen Gründungsjubiläum eine Show mit 100 Line- und Square-Dancern auf die Bühne gebracht und dabei über 3.000 Mark Reinerlös erzielt. "Die Aids-Hilfe", so Richard, "stellt uns zweimal im Monat kostenlos die Proberäume für die Anfänger zur Verfügung, wir revanchieren uns mit Benefiz-Auftritten". Auch einige Tänzer sind HIV-positiv: "Denen geht es durch die Bewegung gesundheitlich sehr viel besser. Sie kriegen eine bessere Durchblutung, eine bessere Atemtechnik. Das wirkt sich erfreulich auf ihre Blutwerte aus."

Kerle gesucht:Yippee yea!

Richard Lootens ist eine lebendeTanzschule. "Ich tanze seit 40 Jahren, bin ausgebildeter Tanzlehrer, unterrichte seit 1989 und kann alle Tänze", lacht der Chef-Cowboy, der seine Greenhorns wie ein Vater und Kumpel in die richtige Reihe bringt. 80 CDs mit Country Musik und die Choreographien von 700 Folklore-Tänzen hat er zuhause. Über 60 verschiedene Formationen hat er seinen Jungs bereits beigebracht. Die Fortgeschrittenen tanzen meist zwischen 48 und 64 Beats. Sie proben jeden 1., 3 und 5. Freitag im Monat im Gemeindesaal der Unterkirche St. Wilibrod, wo auch die schwulen Schuhplattler zuhause sind. Begonnen hatte das Münchner Line-Dance-Fever im April 1996 in der Diskothek "The Stud". Hier fand der erste Tanzabend statt, mit einem Stamm von acht bis zehn Mann. 1998 waren es bereits 20 Tänzer, die auf Straßenfesten oder MLC Feiern auftraten. Heute sind es um die 50. Richard geht überall auf Nachwuchssuche: "Ich lebe komplett in der Szene. Ich muss ja meine Tänzer rekrutieren. Jeden, der mir optisch zusagt, spreche ich an. Im Grunde jeden." Es sind Kerle, die er sich aussucht: "Ich brauche nicht zu den Schicki-Mickis zu gehen, zu den Feingliedrigen, die zucken zusammen." Die Reklame der LAD's hängt daher eher in den Western-, Jeans- und Lederlokalen aus wie "Bau", "Tabasco", "Pop As". Viele Wirte unterstützen die Tänzer. Im SUB stehen die LAD's auch einen Donnerstag im Monat hinter der Theke, im "Pop As" ist regelmäßig Country-Time. Der Motor der Gruppe war von Anfang an Richard Lootens. Der gelernte Landschaftsarchitekt, der seit 30 Jahren in München lebt, strotzt nur so vor Kraft. Er lacht: "Ich tanze mit Leib und Seele." Der grauhaarige, Energie geladene Herr ist auch ein sehr sinnlicher Mensch: "In bin ein Fisch. Ich bin ein aktiver Mann, habe viele Liebschaften hinter mir, das ist ja klar." Stolz ist er über das brandneue Outfit seiner Cowboys, das in Donauwörth angefertigt wurde. American Style, made in Germany: 28 weitere Westernhemden wurden bestellt. Die LAD's sind auf Expansionskurs.Yippee yea!